Schattierungen in die schwarz-weisse Wahrnehmung

Wir sprechen von der «gespalteten Gesellschaft». «Polarisierung» scheint an allen Ecken für rauchende Köpfe zu sorgen. Ein deutscher Bestseller (‘Triggerpunkte’) hält dieser Meinung entgegen.

Orange-Petrol sieht das Cover des Buches aus. Es ist mir auf der Bestseller-Liste aufgefallen wegen des Titels: «Triggerpunkte, Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft». Konflikte erlebe ich heutzutage sehr polarisiert. Meinungen sind klar gemacht. Diskussionen häufig überflüssig oder nutzlos. Das erste Mal richtig krass empfand ich das 2020, als ich in New York lebte. Im Wahlkampfjahr wurden Menschen in den Strassen Manhattans als «Trumper» beschimpft, wenn sie keine Covid-Schutzmaske anhatten. Gut, Vereinigte Staaten halt, dachte ich mir.

Die USA ist als Politsystem in zwei Pole aufgeteilt. Da ist die Spaltung der Gesellschaft in der DNA. Bei uns in Europa läuft die Demokratie anders, prahlte ich bei Einheimischen. Nachdem ich nun die letzten drei Jahre in Spanien, Deutschland und der Schweiz wohnte, begann ich in Diskussionen mit Freunden die Spannungen in Europa aber häufig mit den USA zu vergleichen. Und auch Expert*innen und Medien hatten ein schwarz-weisses Narrativ.

Polarisierung als Schlagwort

Der neue Bestseller «Triggerpunkte» nähert sich Antworten auf Konsens und Konflikt in unseren, aktuellen europäischen Gesellschaft. Anhand von Theorien, Studien und Befragungen nehmen die Autoren (Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westheuser) Deutschland unter die Lupe. Als erstes wird da festgehalten, dass im letzten Jahrzehnt die Wörter ‘Polarisierung’ und ‘Spaltung’ in Tages- und Wochenzeitungen stark vermehrt gebraucht wurden. Auf diese Information folgt dann auch gleich die Einleitung, um das schwarz-weisse Phänomen in Frage zu stellen.

 

Nicht wie in den USA

Zwar gibt es laut den Autoren von „Triggerpunkte“ in Deutschland diverse, gängige Begriffe, um in Polen zu sprechen: „‘Universalisten‘ und ‚Partikularisten‘, abgehobenen ‚Anywheres‘ und verwurzelte ‚Somewheres‘, ‚Kosmopoliten‘ und ‚Kommunitaristen‘ oder ‚Globalisierungsgewinner‘ und ‚Globalisierungsverlierer‘“. Anders als in den USA seien die Meinungen zu Konflikten häufig aber eher individuell als gruppenbezogen.

Dabei erklären die Autoren die Theorie, wie Konflikte in der Öffentlichkeit diskutiert und repräsentiert würden. Dies geschehe in ‚vier Ungleichheitsarenen‘: Oben-Unten (Lohn, Wohlstand), Innen-Aussen (Migration), Wir-Sie (Rassismus, Diskriminierung), Heute-Morgen (Umwelt, Ressourcen). In diesen Themen herrsche auch Konsens. Eskalieren würden Konflikte bei gewissen Triggerpunkten wie die Genderfrage bei der Gleichstellung und Kostenübernahme in der Umweltspolitik. Der deutsche Bestseller „Triggerpunkte“ analysiert die Komplexität der gesellschaftsrelevanten Fragen an Deutschland, was uns Schweizern dabei gar nicht allzu entfernt scheint.

 Schwarz oder Weiss, beziehungsweise Rot oder Blau wird in einem Jahr in den USA wieder entschieden.  Zurück in der Schweiz bin ich froh, dass die Auswahl ein bisschen bunter ist, obwohl auch hier das Masketragen als Diskussionspunkt keinen Friedensstifter zu sein scheint.

Anmerkung: Blog-Post entstand anhand einer Leseprobe, dabei handelt es sich um einen unabhängigen, nicht bezahlten Text.

Triggerpunkte, edition suhrkamp

Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft | Warum Gendersternchen und Lastenfahrräder so viele Menschen triggern, Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westheuser, Buch (Taschenbuch)

 

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